Bericht "Die Bußkirche für Huren, Diebe und Kommunisten" - Paris, France
Posted by: Groundspeak Regular Member kaschper69
N 48° 53.202 E 002° 20.586
31U E 451843 N 5415068
Bericht "Die Bußkirche für Huren, Diebe und Kommunisten" in der Welt.
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Location: Île-de-France, France
Date Posted: 03/25/2018
Published By:Groundspeak Premium Member saopaulo1
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[DE] "Die Bußkirche für Huren, Diebe und Kommunisten

Als Sühne für die „Verbrechen der Pariser Kommune“ wurde 1914 die weiße Kirche auf dem Montmartre fertiggestellt. Ein nationales Symbol und frühes Beispiel für Gentrifizierung.

Die Mur des Fédérés, die Mauer der Föderierten, zählt zu den großen Erinnerungsorten Frankreichs. Am 28. Mai 1871 wurden an ihr die letzten 147 Kämpfer der Pariser Kommune erschossen, was den Friedhof Père-Lachaise zu einem nationalen Symbol machte. Das Trauma, dass Truppen des Bürgertums unter den Augen der siegreichen deutschen Armee den sozialrevolutionären Aufstand der Pariser Massen zusammenschossen, hat sich tief in die Gedenkkultur Frankreichs eingeschrieben.
Als vier Jahre später auf dem Hügel Montmartre der Grundstein für die Basilique du Sacré-Cœur gelegt wurde, ging es der Dritten Republik auch um Buße. Für „die Verbrechen der Kommunarden“ – und nicht zuletzt für das gute Gewissen ihnen gegenüber. Denn das im Norden gelegene Quartier, das erst 1859 nach dem wuchernden Paris eingemeindet worden war, war einer der Ausgangspunkte der Erhebung gewesen.
Hier hatten die aufständischen Nationalgarden sich der Kanonen bemächtigt, die man vor den Deutschen in Sicherheit gebracht hatte, und waren damit ins Zentrum gezogen. Montmartre, das war auch ein Symbol für die Unterprivilegierten, die der monströse Stadtumbau des Georges-Eugene Haussmann an die Ränder der Metropole getrieben hatte.

1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, wurde die Basilika auf dem 130 Meter hohen Montmartre fertiggestellt. Es sagt einiges über ihre Symbolhaftigkeit aus, dass die Einweihung erst im Oktober 1919 erfolgen konnte, vier Monate nach dem Friedensschluss von Versailles, der den Triumph über den deutschen „Erbfeind“ markierte.

Aber der weiße Zuckerbäckerbau sollte weitaus mehr sein als ein Monument des Sieges oder der Buße. Es zeugte noch einmal von der Verbindung zwischen Staat und Kirche, die während der Französischen Revolution zerbrochen war. So beendete die letzte Äbtissin des Klosters, das auf dem Montmartre gestanden hatte, 1794 ihre Leben unter der Guillotine.
Ganz bewusst hatte der Erzbischof von Paris, Joseph Hyppolyte Guibert, 1872 den Ort für den Kirchenbau ausgewählt. Auf dem Hügel, auf dem bereits gallische Druiden ihre Opferriten vollzogen hatten, hatte um 250 der heilige Dionysus den Märtyrertod erlitten. Der erste bekannte Bischof von Paris soll mit seinem Kopf in der Hand von dort noch sechs Kilometer bis nach Saint-Denis gelaufen sein, wo später die Grablege der französischen Könige entstand.

Zielte Guibert mit seiner „Sühnekirche“ auch auf die „Gefangenschaft“ des Papstes im Vatikan, in den sich Pius IX. nach der Einnahme Roms durch italienische Truppen 1870 zurückgezogen hatte, erklärte die französische Nationalversammlung den Bau aus anderen Gründen zum nationalen Projekt. Neben der heiklen Erinnerung an die 30.000 Toten des Kommune-Aufstandes ging es vor allem um eine Ehrenstätte für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71. Insgesamt 40 Millionen Francs, darunter zahlreiche Spenden wurden bereit gestellt. Damals war noch nicht abzusehen, dass 1905 die Trennung von Staat und Kirche in Frankreich endgültig werden würde.
Mit seinem Entwurf, der Anlehnungen an die Hagia Sophia in Istanbul und den Markusdom in Venedig nicht verhehlen konnte, setzte sich der Architekt Paul Abadie (1812-1884) gegen 78 Konkurrenten durch. Um dem Bau in dem sumpfigen Untergrund Halt zu geben, mussten die Fundamente bis in eine Tiefe von 33 Metern ausgeführt werden. Der Bau selbst – aus Travertin-Gestein errichtet – misst am Boden 85 mal 35 Meter und erreicht eine Höhe von 83 Metern. Nach Abadies frühem Tod folgten ihm noch sechs Architekten in der Bauleitung nach.

Parallel zum Kirchenbau vollzog sich ein ziemlich drastisches Beispiel früher Gentrifizierung. Der Hügel, der noch in den 1860er-Jahren ein Rückzugsort für ärmere Schichten gewesen war, wurde zum Refugium der Bourgeoisie. Lange war hier Gips abgebaut worden. Zwischen den Baracken und Hinterhöfen etablierte sich ein Milieu, in dem Prostitution, Alkoholismus und Kleinkriminalität blühten. Bordelle und Vergnügungslokale wie das Moulin Rouge und das Moulin de la Galette wurden Anziehungspunkte für Nachtschwärmer. Künstler wie Renoir, Van Gogh oder Toulouse-Lautrec fanden hier Themen und Inspiration.
Als der Bau der Basilika 1914 abgeschlossen war, prägten mondäne Häuser und elegante Treppen den Hügel, auf dem sich seine früheren Bewohner die Mieten längst nicht mehr leisten konnten. Auch die Künstler wanderten ab, vor allem in das Quartier Montparnasse. Dafür zogen Pilger auf den Montmartre, zunächst national gesonnene Franzosen, später vor allem Touristen. Heute gilt Sacré-Cœur nach Notre Dame als bekannteste Kirche von Paris und als einer der meistbesuchten Ausflugsorte.

Nur die Architekturkritik hat ihren Frieden mit der Basilika nicht machen können. Sie bemäkelte die unproportionierten Kuppeln und die Hässlichkeit der Skulpturen, deren kühle Monumentalität niemals von Patina gemildert werden würde. Denn die Zeit lässt den Stein nur noch weißer werden."

[EN] "The Church of Repentance for Whores, Thieves and Communists

The white church on Montmartre was completed in 1914 as an atonement for the "crimes of the Paris Commune". A national symbol and early example of gentrification.

The Mur des Fédérés, the wall of the Federation, is one of the great places of memory in France. On 28 May 1871, the last 147 fighters of the Paris Commune were shot at it, which made the Père-Lachaise cemetery a national symbol. The trauma that bourgeois troops fired up the social revolutionary uprising of the Paris masses under the eyes of the victorious German army has deeply inscribed itself in France's culture of remembrance.
Four years later, when the foundation stone for the Basilique du Sacré-Cœur was laid on the hill of Montmartre, the Third Republic was also concerned with penance. For "the crimes of the Communards" - and not least for a clear conscience towards them. For the quarter to the north, which had only been incorporated after the proliferation of Paris in 1859, had been one of the starting points of the uprising.
Here the rebellious National Guards had taken possession of the cannons that had been taken to safety from the Germans and had thus moved into the centre. Montmartre was also a symbol for the underprivileged, who had been driven to the outskirts of the metropolis by the monstrous urban redevelopment of Georges-Eugene Haussmann.

In 1914, on the eve of the First World War, the basilica on Montmartre, 130 metres high, was completed. It says something about its symbolic nature, that the inauguration could only take place in October 1919, four months after the Peace Treaty of Versailles, which marked the triumph over the German "hereditary enemy".

But white confectionery should be much more than a monument of victory or penance. It testified once again to the link between the State and the Church, which had been broken during the French Revolution. Thus, in 1794, the last abbess of the monastery that had stood on Montmartre ended her life under the guillotine.
The Archbishop of Paris, Joseph Hyppolyte Guibert, deliberately chose the site for the church in 1872. On the hill, where Gallic druids had already performed their sacrificial rites, St. Dionysus had suffered martyrdom around 250. The first known Bishop of Paris is said to have walked six kilometres with his head in his hand from there to Saint-Denis, where the tomb of the French kings was later built.

Guibert's "atonement church" was also aimed at the "imprisonment" of the Pope in the Vatican, into which Pius IX withdrew after Rome was taken by Italian troops in 1870, the French National Assembly declared the building a national project for other reasons. In addition to the delicate memory of the 30,000 dead during the Commune Uprising, the main focus was on a memorial for those killed in the Franco-Prussian War of 1870/71. 40 million francs were donated, including numerous donations. At that time it could not be foreseen that in 1905 the separation of church and state in France would become final.
The architect Paul Abadie (1812-1884) prevailed over 78 competitors with his design, which could not conceal references to the Hagia Sophia in Istanbul and St Mark's Cathedral in Venice. In order to stop the construction in the swampy subsoil, the foundations had to be laid to a depth of 33 metres. The building itself - built of travertine rock - measures 85 by 35 metres on the ground and reaches a height of 83 metres. After Abadie's early death, he was succeeded by six other architects in construction management.

Parallel to the construction of the church, a rather drastic example of early gentrification took place. The hill, which had still been a retreat for the poorer classes in the 1860s, became the refuge of the bourgeoisie. Plaster had long been mined here. Between the barracks and backyards a milieu was established in which prostitution, alcoholism and petty crime flourished. Brothels and nightclubs such as the Moulin Rouge and the Moulin de la Galette became attractions for night owls. Artists like Renoir, Van Gogh or Toulouse-Lautrec found themes and inspiration here.
When the construction of the basilica was completed in 1914, fashionable houses and elegant stairs marked the hill on which its former inhabitants could no longer afford the rents. The artists also emigrated, above all to the Montparnasse quarter. In exchange, pilgrims moved to Montmartre, first French people with a national attitude, later mainly tourists. Today Sacré-Cœur is considered the most famous church in Paris after Notre Dame and one of the most visited excursion destinations.

Only architectural critics were unable to make peace with the basilica. She criticized the disproportionate domes and the ugliness of the sculptures, whose cool monumentality would never be tempered by patina. Because time only makes the stone whiter."

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Type of publication: Internet Only

When was the article reported?: 03/01/2014

Publication: Welt

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How widespread was the article reported?: international

News Category: Arts/Culture

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