HELENE, LEOPOLD und MARGOT FANNY SAALFELD - Fleischhauerstraße 1, Lübeck, SH, D
Posted by: Groundspeak Premium Member André de Montbard
N 53° 52.035 E 010° 41.166
32U E 610869 N 5970069
Stolpersteine of the jewish family Saalfeld in the Fleischhauerstraße in Lübeck.
Waymark Code: WM15688
Location: Schleswig-Holstein, Germany
Date Posted: 10/24/2021
Published By:Groundspeak Premium Member bluesnote
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Auf den im November 2008 verlegten Steinen steht:

HIER WOHNTE
HELENE SAALFELD
GEB. STERNFELD
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
---
HIER WOHNTE
LEOPOLD SAALFELD
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
---
HIER WOHNTE
MARGOT FANNY SAALFELD
JG. 1926
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA

In der Fleischhauerstraße 1, in einer Wohnung im dritten Stock, wohnte seit 1937 die Familie Saalfeld, Leopold Saalfeld mit seiner Frau Helene, geborene Sternfeld, und ihrer Tochter Margot, bis sie am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert wurden.

Zum "Arbeitseinsatz in den Osten" würden sie kommen, hieß es in dem amtlichen Schreiben, das die Saalfelds einige Wochen zuvor erhalten hatten, ebenso wie viele andere jüdische Familien aus Lübeck, darunter auch Leopold Saalfelds Schwester Regina Rosenthal mit ihrer Tochter Fina aus der Marlesgrube 9.

In seinen "Erinnerungen eines Überlebenden " erwähnt Josef Katz auch Margot Saalfeld. Er schreibt:

"Im Sammellager ist schon alles versammelt. ... Im ganzen sind wir neunzig Lübecker Juden. Da ist die kleine Margot Salfeldt, ein blondes Mädchen von vierzehn Jahren. Margot sagt, sie freut sich, daß sie jetzt endlich unter Juden leben wird, aber sie habe Angst um ihre Mutter, die schon über fünfzig Jahre alt ist. Ich versuche sie zu trösten und erkläre ihr, daß es bestimmt für alle dort Arbeit geben wird, auch für ihre Mutter, die ja noch leichte Hausarbeit machen kann. Ja, das könnte sie verstehen, erwidert Margot. Aber was denn die alte Frau Cohn dort solle oder der alte Herr Carlebach? Sie meint, daß da etwas nicht stimmt. ..." (S.22)

Auf einem der Fotos der jüdischen Religionsschule, das anlässlich einer Feier aufgenommen wurde, ist Margot abgebildet, damals muss sie zwischen acht und zehn Jahren alt gewesen sein, ein aufgeweckt wirkendes Mädchen mit blonden lockigen Haaren, zu langen Zöpfen geflochten. Sie trägt ein dunkles Kleid und hat als einziges Mädchen der Kindergruppe keinen Blütenkranz im Haar.

Lehrer Siegfried Rottenberg mit Schülern und Schülerinnen der jüdischen Religionsschule, ca. 1934/35
stehend von links: Margot Saalfeld (1941 deportiert nach Riga), Berta Rothenberg (emigriert nach Schweden), Inge Kraskom (in die USA ausgewandert), Jürgen Jaschek (überlebte Riga, später USA), Hanna Winter (nach England ausgewandert), Hanni Rosa Daicz (deportiert nach Riga), Mirjam Häusler (1939 nach Schweden)
kniend von links: Margot Rothenberg (nach Schweden ausgewandert), Walter Sichel und Hanna Sichel (beide 1939 in die USA entkommen), Adolf Doum (später Abraham Domb-Dotan (1939 nach Palästina).

Margot Fanny (Mirjam) wurde am 20. April 1926 in Leipzig geboren. Vier Jahre zuvor war ihr Vater von Lübeck nach Leipzig gezogen. Leopold Saalfeld, mit jüdischem Namen Bergold, war am 19.10.1887 in Lübeck geboren, von Beruf Commis, also Handelsgehilfe oder auch nichtselbständiger Kaufmann. Margots Mutter Helene Sternfeld aus Baden-Baden war am 15.11.1887 geboren.

1933 zog die dreiköpfige Familie nach Lübeck, wohnte zunächst bei Leopolds Vater in der Marlesgrube 7, dann in der Hüxtertorallee 43 im dritten Stock und schließlich in der Fleischhauerstraße 1.

Leopold Saalfeld arbeitete als Verkäufer in Geschäften, deren Inhaber ebenfalls Juden waren, bei Noa Honig in der Hüxstraße und am Schüsselbuden und im Warenhaus Globus in der Breiten Straße und war schließlich bei der Norddeutschen Bürstenindustrie Albert Asch & Co beschäftigt. Dort arbeiteten bis zu 180 Leute, in der Mehrzahl jüdische Menschen, für die in dieser Fabrik eines jüdischen Besitzers oftmals noch die einzige Möglichkeit des Broterwerbs bestand. Aber auch nichtjüdische Leute waren unter den Arbeitenden, so die Mutter des Lübeckers Werner Olhorn, der sich deutlich an die Fabrik in der Moislinger Allee 39/41 an der Ecke Finkenstraße erinnert, auch an Herrn Asch, einen älteren Herrn mit sanftem Gesichtsausdruck, und an Herrn Saalfeld, der als Abteilungsleiter der Expedition für Bestellungen und Versand zuständig war. Er war ein schlanker mittelgroßer Mann, trug eine Brille und hatte kurze Stoppelhaare. Manches Mal durfte der damals 12 und 13 jährige Werner Olhorn Abfallholz der Fabrik mit dem Blockwagen abholen, vor allem das Hartholz der Buchen war zum Heizen gut geeignet. Einige Male schickte ihn seine Mutter auch in die Wohnung der Saalfelds in die Fleischhauerstraße, um der Familie Blumen, Erdbeeren oder grüne Bohnen aus dem Schreibergarten zu bringen. So lernte er Frau Saalfeld kennen, eine kleine, eher korpulente Frau mit sehr ausgeprägter Nase, die ihm Kuchen auf Oblaten anbot. Vor allem aber war Werner Olhorn beeindruckt von der Tochter Margot, die nach seiner Erinnerung stets mit ihren Schularbeiten beschäftigt war, wenn er kam. Sie war ein sehr hübsches Mädchen mit lockigen Haaren. Seine Mutter habe ihm irgendwann erzählt, dass die Familie Saalfeld plötzlich nicht mehr da gewesen, abgeholt worden sei. Bis 1941 habe die Mutter in der Bürstenfabrik gearbeitet, die nach der Arisierung Norddeutsche Bürsten-Industrie Hess & Olie hieß; danach sei sie bei Dräger in der Gasmaskenproduktion zwangsverpflichtet gewesen.

Die Saalfelds gehörten zu den jüdischen Familien, die schon lange in Lübeck und davor in Moisling ansässig waren und im Jahre 1848 vom Lübeckischen Staat verpflichtet wurden, feste Familiennamen anzunehmen, was bei Juden zuvor nicht generell üblich war.

Nach der Bekanntmachung des Landgerichts haben "Abraham Samuel und dessen Sohn Samuel Abraham den Namen Salfeld angenommen".

Der Sohn Samuel Abraham Salfeld wurde 1811 in Moisling geboren. Mit seiner Frau Mindel (auch Minna) geborene Baruch hatte er sechs Kinder, geboren zwischen 1846 und 1858. Ab 1873 war er als Kaufmann im Lübecker Adressbuch verzeichnet, in "der unteren Aegidienstraße rechts 698 ", der späteren Schildstraße 20, wo sich heute der Bunker befindet. Hier lebte und arbeitete er bis zu seinem Tod 1886. Seine Frau starb vier Jahre später 1890. Das Haus wurde weiterhin von der Familie bewohnt. Der älteste Sohn Selig Samuel, Siegfried genannt, begann hier sein Geschäft als "Lackirer " mit einem "Lager von lackierten Blechsachen", später führte er es weiter als "Mobilien- und Antiquitäten " in der Marlesgrube 14. Schräg gegenüber hatte sein 12 Jahre jüngerer Bruder Jacob, der jüngste unter den sechs Geschwistern, als Uhrmachermeister ebenfalls ein Antiquitätengeschäft im Haus Marlesgrube 7, das auch sein Eigentum war. Jacob wurde 1907 Lübecker Staatsbürger, Siegfried 1908. Beide heirateten Frauen aus der Familie Levy in Segeberg. Jacob und Fanni Saalfeld bekamen vier Kinder, Franziska, Leopold, Regina und Mindel. Siegfried und Rosa Saalfeld hatten einen Sohn Albert.

In der Schildstraße 20 lebten weiterhin ihre unverheirateten Geschwister, während ein weiterer Bruder nach Hamburg heiratete. 1913 starb die jüngste Schwester Hannchen im Alter von 58 Jahren, 1915 verunglückte der Bruder Ruben Rudolf und wurde "im Krähenteich als Leiche gefunden " . Nun wohnte nur Friederike Saalfeld noch in der Schildstraße 20, bis 1932 als Rentnerin im Adressbuch verzeichnet, dann ging sie in das Altersheim der jüdischen Gemeinde in der St. Annenstraße 11.

Im 1. Weltkrieg wurde Albert Saalfeld, der einzige Sohn von Siegfried und Rosa, als freiwilliger Kriegsteilnehmer Soldat und fiel im Oktober 1917. Seine Frau Klara aus Bitterfeld, die während der Kriegsjahre mit ihrem Kind bei den Schwiegereltern in Lübeck gelebt hatte, ging wieder zurück nach Berlin, wo ihre Tochter Ruth am 30.7.1914 geboren worden war.

Bald darauf verließen auch die älteren Kinder von Jacob und Fanni die Marlesgrube. Franziska heiratete 1920 den Hamburger Bankbeamten Siegmund Mindel, 1923 wurde ihr Sohn Julius geboren, 1924 Werner. Leopold Saalfeld zog 1922 nach Leipzig.

1924 starb Fanni Saalfeld im Alter von 67 Jahren, so dass Jacob mit seiner jüngsten Tochter Mindel allein blieb, denn Regina heiratete den Kaufmann und Kunsttrödler Max Rosenthal, blieb aber in unmittelbarer Nähe im Nachbarhaus Marlesgrube 9. 1928 wurde ihre Tochter Fina geboren.

Im Jahr 1935 entstanden für die Familie durch vier Todesfälle erhebliche Veränderungen. Ende Februar starb im Alter von 88 Jahren Selig Saalfeld in seiner Wohnung an Herzschwäche. Nach dem Totenschein, der vom jüdischen Arzt Horwitz ausgestellt wurde, hatte er außerdem an einer Altersdemenz gelitten.

Nur einen Monat später starb Max Rosenthal mit nur 50 Jahren. Eine Lungentuberkulose sowie ein Geschwür am Kehlkopf hatten im Allgemeinen Krankenhaus zu tödlichen Erstickungsanfällen geführt.

Friederike Saalfeld brach sich bei einem Sturz den Oberschenkelhals. Eine Lungenentzündung führte Ende November 1935 zu ihrem Tod im Krankenhaus.
Schließlich starb am 25.12. 1935 Jacob Saalfeld, wie sein zwölf Jahre älterer Bruder an akuter Herzschwäche.

Sollte es in Familie zuvor Überlegungen gegeben haben, Deutschland zu verlassen, so dürfte die jetzt entstandene Situation mit allen Sorgen um die Kranken, der Trauer um die Verstorbenen, aber auch allem, was zu regeln war, und sicherlich wachsenden finanziellen Problemen kaum noch eine Möglichkeit gelassen haben, eine Auswanderung zu organisieren. Der Verkauf der Häuser Marlesgrube 7 und 14 sowie Schildstraße 20 dürfte aufgrund der mittlerweile geltenden Bestimmungen nur geringe Erlöse erbracht haben.

Siegfried Saalfelds Witwe Rosa zog im Februar 1936 in die St. Annenstraße 11, das Altersheim der Jüdischen Gemeinde. Mindel Saalfeld ging 1937 nach Schweinfurt und später nach Hamburg.

Zu diesem Zeitpunkt besuchte Margot nach vier Jahren in der Domschule schon die Geibel-Mädchen-Mittelschule, musste sie jedoch nach dem 9. November 1938 verlassen. Ein Erlass vom 15. November verbot "Juden den Besuch von deutschen Schulen "; die Geibel-Mittelschule meldete schon zwei Tage vorher an die Schulverwaltung, dass Margot Saalfeld aus der Klasse 4a "ausscheidet"
(Archiv der Hansestadt Lübeck, Amt für Schulwesen 879. Jüdische Voksschule).

Aus den Unterlagen der Jüdischen Schulen im Hamburger Staatsarchiv lässt sich Margots weiterer Weg erschließen. Sie nahm zunächst einige Monate am Unterricht der Jüdischen Volksschule in Lübeck teil, wurde dann im November 1939 umgeschult auf die Jüdische Mädchenschule in Hamburg, der Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße 35. Diese Schule wurde bald darauf zur einzigen jüdischen Schule Hamburgs, der jüdischen Volksschule. Margot fuhr täglich mit dem Zug hin und her und nahm " nur ein Mittagessen bei einer bekannten Familie " in Hamburg ein. Ihr Klassenlehrer war Herr Eldod, der mit seiner Familie ebenfalls nach Riga deportiert wurde.
Eintragung von Margot Saalfeld in das Poesiealbum von Steffi Wittenberg, geb. Hemmenschlag vom 4.12.1939Eintragung von Margot Saalfeld in das Poesiealbum von Steffi Wittenberg, geb. Hemmenschlag vom 4.12.1939

In das Poesiealbum ihrer Mitschülerin Steffi, die mit ihren Eltern Ende 1939 nach Uruguay auswanderte, schrieb Margot am 4.XII. 39:

"Schaue vorwärts, - nicht zurück!
Neuer Mut ist Lebensglück.
Zur Erinnerung an Deine Margot Saalfeld".

Am 28. März 1941 verließ Margot die Schule in der Karolinenstraße und wurde zum 1. April 1941 probeweise in die Jüdische Haushaltungsschule Heimhuderstrasse 70 aufgenommen. Während der nächsten Monate wohnte sie auch in Hamburg, am Papendamm 3, im jüdischen Waisenhaus, bis sie der Evakuierungsbefehl nach Lübeck zu den Eltern zurückholte.

In den dann folgenden Monaten wurde eine ganze Familie aus ihrer Heimat vertrieben und ausgelöscht. Leopold und Helene Saalfeld und Margot sowie Regina Rosenthal mit Fina verloren ihr Leben in Riga. Ob sie bereits in den ersten Wintermonaten im KZ Jungfernhof durch Hunger und Kälte starben oder ob sie zu den Opfern der beiden Massenerschießungen im Februar und März 1942 im Bikerniekiwald von Riga gehören, ist nicht bekannt.

Mindel Saalfeld und die älteste Schwester Franziska mit Mann und Söhnen wurden Ende Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert. Ob sie zu den Menschen gehören, die in Chelmnoo vergast wurden, wissen wir nicht.

Die 83 jährige Rosa Saalfeld wurde am 19.7.1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort zwei Monate später. Nur ihre Schwiegertochter und die Enkelin Ruth hatten Deutschland rechtzeitig verlassen und waren in die USA geflüchtet.

In der Halle der Namen der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem finden sich drei Gedenkblätter, die an Margot Saalfeld und ihre Eltern Leopold und Helene erinnern, ausgefüllt in Deutsch und Hebräisch von Sara Sternfeld, einer Schwägerin von Helene.

Source: (visit link)
Year/Jahrgang: 01/01/1941

Deported to:
Riga


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