Dr. Franz Henle — Frankfurt am Main, Germany
Posted by: prussel
N 50° 09.193 E 008° 39.697
32U E 475826 N 5555721
Stolperstein für Dr. Franz Henle vor dem Haus Am Lindenbaum 4 in Frankfurt-Eschersheim
Waymark Code: WMJJP4
Location: Hessen, Germany
Date Posted: 11/25/2013
Views: 3
HIER WOHNTE
FRANZ HENLE
JG. 1876
VERHAFTET 1.4.1944
FLUCHT IN DEN TOD
1.4.1944
POLIZEIREVIER
Dr. Franz Henle entstammte einer alteingesessenen jüdischen Familie aus Münchenund wurde evangelisch getauft. Franz Henle studierte Chemie in München und promovierte als Chemiker an der Universität Straßburg zum Dr. phil.
Franz Henle heiratete im Jahr 1907 Helene Vogt aus einer christlichen Familie stammend. Das Ehepaar hatte zwei Kinder. Der ältere Sohn Karl fiel als Hauptmann im 2. Weltkrieg im August 1942 in Russland.
Henle arbeitete ab 1907 als Chemiker bei den Farbwerken Höchst. Er war als Laborleiter anerkannter Fachmann für Azo-Farben. Im ersten Weltkrieg war
er bis zu seiner Verwundung drei Jahre an der Front, zuletzt als Hauptmann der Landwehr in Litauen. Im Jahr 1920 wird er als Mitglied der Senckenbergischen
Naturforschenden Gesellschaft geführt.
In Höchst wohnte die Familie Henle in einer Werkswohnung in der Paulistraße 21. Nach der Judengesetzgebung wurde das Arbeitsverhältnis 1936 vorzeitig
durch die Farbwerke beendet. 1943 musste auch die Werkswohnung verlassen werden, "Parteistellen" drängten auf Auszug, so daß die Familie zunächst in ein Haus in der Uhlandstraße ausweichen musste, in das am 22.3.1944 eine Bombe fiel. Zu dieser Zeit arbeitete der überlebende Sohn bereits in Berlin.
Mit Genehmigung der Gestapo durfte das Ehepaar Henle in das Haus "Am Lindenbaum 4" in ein freies Zimmer einziehen und an der Gemeinschaftsverpflegung
für Bombengeschädigte teilnehmen. Das Haus war am 1.12.1935 von Franz Henle erworben und im Jahr 1938 auf seinen jüngeren Sohn Oskar übertragen worden.
Im März 1944 kam es zu einer Denunziation. Henle
soll angeblich unberechtigt am NSV-Essen teilgenommen
haben. Er wurde am 1.4.1944 in das 13. Polizeirevier
im Langenheckenweg 2 gebracht, um zu diesem
Vorwurf verhört zu werden. Seine Ehefrau begleitete
ihn, musste aber auf dem Vorplatz warten. Henles
Hinweis, die Teilnahme am Essen sei von der Gestapo
genehmigt, konnte nicht sofort bestätigt werden,
da es keine Telefonverbindung zur Gestapo in der
Lindenstraße gab. Es wurde deshalb ein Bote dorthin
geschickt. Der zuständige Beamte war jedoch auf
Dienstreise, so dass er die erteilte Genehmigung nicht
bestätigen konnte. Nach der Rückkehr des Boten
wurde daher vom Polizeibeamten verfügt, dass
Dr. Henle in Schutzhaft zu nehmen sei bis der Beamte
der Gestapo zurück käme, um die Aussage zu bestätigen.
Daraufhin ging Henle zur Toilette und nahm eine
Kapsel Zyankali ein, die er bei sich trug. Er starb im
Polizeirevier Langenheckenweg 2.
Helene Henle erklärte später in einer Notiz, dass die
Gestapo ausdrücklich den Ausgebombten jüdischer
Abstammung die Teilnahme am Essen gestattet hatte.
Sie beantragte die Feuerbestattung ihres Ehemannes.
Die Asche wurde auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.
Eine Trauerfeier wurde verboten. Nach Ende des
Krieges wurde auf Wunsch der Witwe die Urne auf den
Höchster Friedhof überführt. Helene Henle wohnte bis
zu ihrem Tod 1954 im Haus "Am Lindenbaum 4". In
Höchst ist eine Straße nach Dr. Franz Henle benannt.
Die beiden Enkel Harald Henle (Konstanz) und
Hartmut Henle (Reinheim), Söhne von Oskar Henle,
waren bei der Verlegung des Stolpersteines am 17.2.2009 anwesend.
Quelle / source: Initiative Stolpersteine
Frankfurt am Main e.V.